Tagebuch
Dynamiken der Form
Veranstaltungsreihe im 2. Halbjahr zum Schwerpunktthema 2023
Kulturelle, künstlerische und gesellschaftsbildende Formen sind nicht fest und fixiert, sondern stets in Bewegung. Sie bilden sich unter besonderen Bedingungen heraus und sie stabilisieren, etablieren und verändern sich über verschiedene Zeit- und Kulturräume hinweg. Die Frage nach den Dynamiken von Formen erlaubt es, genauer auf die Kräfte aufmerksam zu machen, die bei ihrer Wanderung und Weitergabe zum Tragen kommen. In welchem Verhältnis stehen ihre intrinsischen Potentiale zu der äußeren Einwirkung von Akteuren in wechselnden historischen, sozialen oder politischen Kontexten? Und wie reflektieren Kunst und Kultur die Veränderung ihrer Formen? Zu untersuchen sind Formprobleme im ganz wörtlichen Sinn, also Genesen und Adaptionen, die womöglich gerade dort Aufschluss über ihre dynamischen Voraussetzungen geben, wo die Formen unvollständig bleiben oder sich auflösen. Welche besondere Rolle spielen also flüchtige, sich entziehende oder entstellte Formen? Welche kulturelle Wirkmacht entfalten Formen in Bildern und Vorstellungen? Mit diesen Fragen lädt der Themenschwerpunkt dazu ein, sowohl theoretische Traditionen der Formreflexion zu befragen als auch konkrete künstlerische und kulturelle (Un-)Formen zu diskutieren.
Die Erforschung der Emergenz und Reproduktion von Formen wie auch ihrer Flexibilität und Elastizität hat im Hamburger Warburg-Haus Tradition. Ernst Cassirer hat mit seiner Philosophie der symbolischen Formen die Grundlegung zu einer Philosophie der menschlichen Kultur geleistet; Aby Warburg hat die medialen Bedingungen der Entstellung und Wandlung von Bildformeln im Prozess von Wanderbewegungen untersucht. Weitergeführt wurden und werden diese Traditionen in den Projekten ›Bilderfahrzeuge‹ (BMBF) zur Materialität von Bildüberüberlieferungen, im Projekt der Digitalisierung des ›Bildindex zur Politischen Ikonographie‹ (DFG) sowie in der Kolleg-Forschungsgruppe ›Imaginarien der Kraft‹ (DFG), in der dynamische Vorstellungen der Künste diskutiert werden.
Das Programm mit wissenschaftlichen Vorträgen und Tagungen findet in enger Kooperation mit der NOMIS-Forschungsgruppe ›Traveling Forms‹ (Universität Konstanz) und der DFG-Kolleg-Forschungsgruppe ›Imaginarien der Kraft‹ statt. Auch im zweiten Halbjahr 2023 finden neben der Vortragsreihe zum Jahresthema weitere Veranstaltungen mit Kooperationspartnern statt: Eine Projektion des Films Rückkehr nach Reims von Jean-Gabriel Périot nach dem Buch von Didier Eribon, das eine breite gesellschaftliche Debatte auslöste, im Lesesaal in Kooperation mit Flexibles Flimmern – Das mobile Kino, die Vorstellung der ersten Biografie des Gründungsdirektors des Warburg-Haus Hamburg, Martin Warnke (1937-2019), ein Seminar in der Ausstellung Das Ornament. Vorbildlich schön im Museum für Kunst und Gewerbe, eine Lesung und Gespräch über das bewegte Leben des jüdischen Bankiers und Kunstsammlers Hugo Simon in Kooperation mit den Jüdischen Kulturtagen Hamburg 2023, eine Dialogführung in der Ausstellung von Hila Laviv Lost Homes / To Forget Beautiful Things im Altonaer Museum sowie eine Ausstellung im Lesesaal über die einzigartigen intellektuellen Architekturen der Gebäude von Aby Warburgs Kulturwissenschaftlicher Bibliothek und Vorstellung der begleitenden Neuerscheinung in Zusammenarbeit mit der Oslo School of Architecture and Design und The Warburg Institute, London.
Dynamiken der Form