Ernst-Cassirer-Arbeitsstelle

Dr. Dr. h.c. Jürgen Lüthje
Präsident der Universität Hamburg
vertreten durch Frau Dr. Heike Brandstädter
 
Sehr geehrter Herr Professor Göring,
Frau Professor Recki,
Herr Professor Orth,
sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste!
Als Präsident der Universität Hamburg möchte ich Sie hier, in dem schönen, geschichtsträchtigen und namhaften Warburg-Haus, sehr herzlich begrüßen.
Wir feiern heute gewissermaßen das »Bergfest«: Seit 5 Jahren gibt es am Philosophischen Seminar die Ernst-Cassirer-Arbeitsstelle. Unter der Leitung von Professor Birgit Recki werden hier seit 1997 die Gesammelten Werke des Philosophen in einer neuen, internationalen Standards entsprechenden Ausgabe erarbeitet. Mit dem Erscheinen von Band 13 ist jetzt etwa die Hälfte der Strecke erreicht.
Die Universität Hamburg ist stolz auf ihren ehemaligen Hamburger Ordinarius und Rektor Ernst Cassirer, zugleich aber beschämt darüber, dass die Universität ihn 1933 aus ihren Reihen ausschloss. Diesen Stolz und unser Bedauern auch nach Außen zu zeigen, diente eine der ersten Hörsaalbenennungen, die im Jahr 1999 stattfand: Der Hörsaal A im Hauptgebäude der Universität ist in Ernst-Cassirer-Hörsaal umbenannt worden. Neben der Ehrung Cassirers sehe ich darin auch die Bestätigung, dass die Arbeit an seinem Werk hier hoch willkommen ist - und auch in Zukunft bleiben wird.
Auch die Edition der Werke Ernst Cassirers hat hier ihren Platz. Sie zählt zu den wichtigsten geisteswissenschaftlichen Projekten an der Universität Hamburg - und hat, wie jedes Projekt, eine Vorgeschichte. Mit der Würdigung des heutigen Anlasses möchte ich zugleich an den universitären Kontext erinnern, in dem die Edition der Hamburger Ausgabe steht:
1995, zum 50. Todestag Ernst Cassirers hat Professor Dorothea Frede am Philosophischen Seminar eine Ringvorlesung zu Werk und Wirkung Cassirers veranstaltet, die von der Universität unterstützt wurde und zu der namhafte Cassirerforscher nach Hamburg eingeladen werden konnten. Zur gleichen Zeit wurde nicht allein in der Universität, sondern auch in der Stadt der Vorschlag diskutiert, die Universität nach Ernst Cassirer zu benennen. Immerhin war Cassirer gleich nach der Gründung der Universität im Jahr 1919 als Ordinarius für Philosophie nach Hamburg gekommen und hatte im Amtsjahr 1929/30 der Universität als Rektor vorgestanden.
Nicht wenige sahen es also als einen Akt der Wiedergutmachung an, den Philosophen Cassirer, der sich im März 1933 nach 14 Jahren akademischen Wirkens in Hamburg genötigt sah, die Universität und die Stadt zu verlassen, durch diese Benennung im Nachhinein zu ehren.
Allerdings: die Stimmen derer, die - mit Blick auf die Universitätsgeschichte - darin eine illegitime Vereinnahmung gesehen hatten, wogen schwer. Es ist bekannt, dass sich bei dem bitteren Abschied Cassirers kein nennenswerter Protest geregt hatte. Cassirer wurde auch auf eigenen Wunsch im englischen Exil bereits mit Wirkung zum 1. November 1933 in den Ruhestand versetzt. Und es hatte nach dem Krieg und bis in das Jahr 1995 keine Entschuldigung, keine versöhnende Loyalitätsbekundung an die Adresse der nach Cassirers Tod 1945 verbliebenen Familie gegeben.
Diejenigen in der Universität Hamburg, die sich der moralischen Notwendigkeit wie der Unmöglichkeit einer Wiedergutmachung an diesem Hamburger Gelehrten bewusst waren, haben im Blick auf diese Problematik geltend gemacht, dass man zu einer anderen Form der Erinnerung an Ernst Cassirer und der Würdigung seines Werkes finden müsse - und so sind im Zusammenhang der verstärkten Auseinandersetzung zwei überzeugende Vorschläge verwirklicht worden.
Erstens: die Einrichtung einer Ernst-Cassirer-Gastprofessur. Seit 1997 lädt die Universität Hamburg jedes Jahr im Sommer auf Vorschlag einer aus Philosophie und Geisteswissenschaften besetzten Kommission einen Gelehrten oder eine Gelehrte nach Hamburg ein, die sich mit ihrer geisteswissenschaftlichen Forschung dem interdisziplinären Geist verpflichtet wissen, den Cassirer in so vorbildlicher Weise selbst ausgeprägt und befruchtet hat. Bisher konnten Gelehrte aus der Philosophie, der Kulturwissenschaft und der Literaturwissenschaft gewonnen werden: Ich nenne Hans Sluga (Berkeley), Nicholas White (Utah), Philippe Despoix (Berlin), Liliane Weissberg (Philadelphia) und Jeffrey Barash (Amiens). Die Ernst-Cassirer-Gastprofessur stellt daher einen wichtigen Beitrag im intellektuellen Leben der Geisteswissenschaften an unserer Universität dar.
Der zweite Vorschlag zielte darauf, die damals am Philosophischen Seminar vakante C3-Professur für Ethik mit der wissenschaftlichen Verantwortung und Herausgeberschaft für die vom Felix Meiner Verlag geplanten Gesamtausgabe der zu Lebzeiten veröffentlichten Schriften Ernst Cassirers zu verknüpfen.
Der Plan war in verschiedener Hinsicht ungewöhnlich und bedurfte universitätsintern der besonderen Förderung. Eine Unterstützung wurde damals in verschiedener Weise gewährt: einerseits durch den Hausherrn des Warburg-Hauses, Professor Warnke, als es um die Unterbringung einer Arbeitsstelle in diesem Haus ging; andererseits durch die ungewöhnliche Ausschreibung einer Stelle und die zügige Durchführung des Berufungsverfahrens.
Auf diese Weise gelang es, die bestgeeignete Bewerberin zum 1. April 1997 zu berufen, so dass sie ihre Arbeit sowohl in Lehre und Forschung wie auch an der auf 25 Bände geplanten Ausgabe der Gesammelten Werke Ernst Cassirers aufnehmen konnte.
Im Hinblick auf das beeindruckende Ergebnis dieser Arbeit hat sich der Einsatz für diese Form der Anbindung der Edition an die Universität Hamburg gelohnt. Nicht zuletzt durch das beeindruckende Presse-Echo und das große Lob, das die bisherige Edition in den großen, überregionalen Zeitungen und wissenschaftlichen Zeitschriften erfahren hat, wurden die Leistung der Arbeitsstelle anerkannt.
Mein Dank geht an alle, die die bisherige Arbeit geleistet, unterstützt und zu ihr beigetragen haben: an erster Stelle an die Leiterin der Ernst-Cassirer-Arbeitsstelle und Herausgeberin, Professor Birgit Recki, sowie an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Arbeitsstelle: Dr. Reinold Schmücker, Tobias Berben, Julia Clemens, Friederike Plaga, Marcel Simon.
Mein Dank geht weiter an Professor Dorothea Frede, ohne deren engagierten Einsatz es zu der fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Universität und Verlag nicht gekommen wäre, an den Hausherrn des Warburg-Hauses, Professor Martin Warnke, der die Arbeitsstelle freundlich beherbergt und damit die seit Anfang der 20er Jahre dokumentierte, gute wissenschaftliche und freundschaftliche Verbindung zwischen Aby Warburg und Ernst Cassirer weitergeführt hat, an die TU Hamburg-Harburg, die in der Person von Professor Joachim Schmidt von Anfang an und inzwischen zum wiederholten Male für die informationstechnische Ausstattung gesorgt hat.
Mein Dank geht nicht zuletzt an die ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, die sich mit der großzügigen Finanzierung von 3 Mitarbeiterstellen in beispielhafter Weise um ein Projekt der Hamburger Wissenschaft und Wissenschaftsgeschichte verdient gemacht hat und der die Universität Hamburg deshalb sicher ebenso dankbar ist wie der Felix Meiner Verlag.
Ihnen allen noch einmal: Herzlichen Dank.
Für die Arbeit der kommenden 5 Jahre, die die Edition zu einem gelungenen Abschluss bringen soll, wünsche ich der Arbeitsstelle viel Erfolg und gutes Gelingen

Ernst-Cassirer-Arbeitsstelle
Warburghaus
Heilwigstr. 116
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